Es ist Samstag. Die Renovierungsarbeiten am Altersruhesitz in Lübeck, der Königin der Hanse, schreiten voran. Doch gestern habe ich mich etwas verhoben. Beim Befahren des Baumarkts ist es mir in den Rücken gefahren. Die Wirbel auf Höhe des Rettungsrings sind blockiert. Aufstehen fällt daher schwer. Es muss dringend eine Lockerung her. Und was gibt’s da Besseres als eine Runde in Richtung Osten zu fahren, um die Bandscheiben durchzuschütteln!? Nur mit Mühe kann ich meine Motorradstiefel anziehen, die Wirbelsäule ist einfach zu blockiert.
Und da wir grade von Blockade sprechen: Der ehemalige Todesstreifen, der Ost- und Westdeutschland getrennt und damit den Grenzübertritt blockiert hat, ist nur einen Katzenwurf von hier entfernt. In Schlutup halte ich kurz an, um einen Blick auf die Trave zu werfen, die einige Kilometer entfernt in die Ostsee mündet.

Als Fischereihafen ist Schlutup Standort fischverarbeitender Betriebe und war einstmals ein Zentrum der deutschen Fischindustrie. Der Hauptumschlag des Schlutuper Hafens besteht heute aber aus Papier und Zellulose, das mit Schiffen aus Skandinavien nach Deutschland gebracht wird. Hier gibt es auch ein sehenswertes Grenzmuseum, doch das sehe ich mir gerne ein anderes Mal an. Ich will weiter, denn der Rücken soll ja gelockert werden.

Was die Verkehrsinfrastruktur betrifft: In dieser Gegend gibt es eine Autobahn und ungefähr 5 größere Landstraßen. Der übrige Verkehr wird über teils naturbelassene, teils karierte, doch in jedem Fall wenig befahrene Straßen geführt. Die Eiszeit hat ein leicht hügeliges Gelände mit vielen Teichen und Seen hinterlassen. Die Stoßdämpfer meines Scramblers leisten ganze Arbeit, als ich über Stock und Stein die Gegend erkunde.

Die Wege sind teilweise recht vernachlässigt und entsprechend holprig. Mir ist das ganz recht, so schüttelt man die Rückenschmerzen ab. Und ab und zu ist auch mal eine Franzbrötchenpause an einem Gewässer drin.

Ich komme nach Schwerin. Das Schloß in der Landeshauptstadt ist neben der schön hergerichteten Altstadt ein bekannter Publikumsmagnet. Heute ist es auch ziemlich voll hier. Die Stadt ist in eine idyllische Seenlandschaft eingebettet und das Schloß thront entsprechend auf einer Insel im Schweriner See. Mit rund 200.000 Besuchern im Jahr gehört es zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands.

Auf dem weiteren Weg tauchen nach diesem Foto-Stop M. und B. im Rückspiegel auf. Die zwei sind der ambitionierte Motorradfahrernachwuchs, der dieses Hobby hoffentlich noch einige Zeit am Leben hält. Sie sind mit ihren geländegängigen BMWs auf dem TET unterwegs. TET steht für Trans Euro Trail. Hierbei handelt es sich um eine circa 100.000 km lange GPX-Offroad-Motorrad-Route durch Europa. Der Trail besteht aus vielen unbefestigten Wegen, die man – nach den jeweiligen Landesgesetzen und Vorschriften – offiziell befahren darf. Sogenannte ehrenamtliche Streckenwärter („Linesmen“) halten die Route in ihrem Land aktuell und werden dabei von allen, die dort fahren, durch deren persönliche Rückmeldungen unterstützt. Ich habe hier heute nichts beizutragen und kann vermelden, dass der TET zwischen Schlutup und Schwerin ohne Probleme befahrbar ist. Wir tauschen die Telefonnummern aus, vielleicht fahren wir ja mal zusammen. Doch erst mal trennen sich unsere Wege, denn ich will noch in Wismar vorbeischauen. Die Einstellung „Kürzere Strecke“ in Verbindung mit „Bundesstraßen und Autobahn vermeiden“ und „unbefestigte Wege erlauben“ bringt eine passable Routenführung zusammen, die der Qualität des TET in Nichts nachsteht.

In Wismar gönne ich mir eine gute Portion Pommes am Hafen. Hier wird angeraten, nüchtern zu bleiben und aufmerksam zu schauen, wo man hinfährt, denn ansonsten landet man schnell im Hafenbecken. An diesem Wochenende findet hier die Hansetage statt, die alte Hansestadt ist gerammelt voll. Mir bleibt aber unklar, wer dieser Hans ist, dem man hier eine ganze Etage gewidmet hat.

Die Altstadt von Wismar ist sehenswert. Mit viel Aufwand wurde sie wieder aufgebaut. Das ist bemerkenswert, denn während des 2. Weltkriegs wurden insgesamt fast 900 Tonnen Bomben von der britischen Royal Air Force und der USAAF auf die Stadt abgeworfen. Viele historische Gebäude wurden zerstört – unter anderem wurden die Georgenkirche, die Marienkirche und das diese umgebende gotische Viertel mit der Alten Schule schwer beschädigt. Die alte Schule im hochgotischen Stil galt als herausragendes Beispiel der Backsteinbaukunst an der Ostsee. Reiche Gliederungen durch Zinnen, Friese und Blenden zeichneten den Bau aus. Die Backsteine der Wandflächen waren grün und rot glasiert, es muss ein wahrlich beeindruckendes Gebäude gewesen sein. Bei einem Luftangriff im April 1945 nahm die alte Schule so großen Schaden, dass die Reste des Gebäudes zwischen 1946 und 1948 abgerissen und die Kellerräume mit Schutt verfüllt wurden. Schade drum.
Aber wie gesagt, ich will ja meinen Rücken kurieren und daher fahre ich weiter.
Nun geht es entlang der gewundenen Ostseeküste zwischen Boltenhagen und Priwall wieder zurück zum Ausgangspunkt dieses Tagesausflugs.

An der Oooostseeeeküsteeee 🎼🎤🪗
Als ich gegen 18:30 nach holprigen 280 Kilometern wieder zuhause ankomme, stelle ich fest, dass die Stoßdämpfer meines Motorrads ganz hervorragend funktioniert haben und es meinem Rücken deutlich besser geht als heute Morgen: Ich schaffe es ohne Schmerzen meine Schuhe auszuziehen…da soll noch mal einer sagen, Motorrad fahren sei ungesund. Also mir jedenfalls hat die Tour heute sehr gut getan!
Zum Teufel mit der Rückenbandage: Ein Moped muss her 🙂 .. LG Sven
PS: Ein schöner Ausflug, auch ohne Rücken 😉
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Toll!
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