Mille Virages 2015 – Einmal Pyrenäen mit Allem, bitte!

Sommer 2014: auf der Transalpina Tour mache ich positive Erfahrungen mit dem französischen Motorradtourismus. In Folge reift der Entschluss, im Sommer 2015 die Pyrenäen zu befahren. Und den Atlantik will ich auch mal wieder sehen…

Winter 2015: ich muss einen Reisebegleiter finden: Schatzi kann wie üblich im Sommer leider nicht mit mir fahren. Doch um dem sonstigen Autismus des Motorradalleinreisens zu entgehen, suche ich in einschlägigen Foren nach einem passenden Reisebegleiter. Es findet sich ein netter Herr namens „Dauerurlaub“: Klingt sympatisch. Wir telefonieren: Ist sympatisch. Wir treffen uns später im Frühjahr auf halbem Wege und bleiben uns sympatisch.

August / September 2015: U. fährt 4 für Wochen, ich habe aber leider nur zwei Wochen, denn ich war ja schon vorher im Juni für 2 Wochen in Kroatien. „Kommste eben auf dem Weg nach Süden schon mal in Stuttgart vorbei, Grillwurst auf dem Balkon und Pritsche in der Mansarde unterm Dach können wir bieten“. „Alles klar“ sagt U. So können wir dann auch schon ein Stück gemeinsam fahren, denn ich begleite U. von Stuttgart zum Bodensee, wir verabschieden uns erstmal am Haldenhof, dem besten Aussichtspunkt am See. Während er nun weiter durch die Schweiz und Italien Richtung Gorges Du Verdon und dann weiter durch die Cevennen zu unserem Treffpunkt in Millau fährt, muss ich noch einige Tage in der Firma die Stellung halten.

Am Freitag darauf geht es dann auch für mich los: ich nehme den kurzen, nein, sagen wir lieber: den direkten Weg nach Millau, über Karlsruhe, Mulhouse, Lyon, St Etienne (da ist der allerbeste Bäcker mit sensationellen Törtchen) Richtung Mende. Nach 800 km halte ich kurz an und schlafe nach ausgiebigem Abendessen ein wenig in einem Bett, das so kurz wie breit ist.

Am nächsten Morgen geht es durch die Gorges Du Tarn. Ein herrliches Fleckchen Erde. Das wissen sowohl die Planer der Tour De Frongs (wie unser guter Jan Ullrich zu sagen pflegt) als auch viele Freizeitsportler, Paraglider (denen zuzusehen ist besonders unterhaltsam wenn sie es denn können, kann aber auch langweilig werden bei Könnern die es noch werden wollen), Kanuten, Wohnmobilverwender und Motorradfahrer. Einige Abschnitte sind extra für Motorradfahrer gemacht und tragen das Prädikat „Route Difficile“, was glaube ich schöne Strecke oder so heisst… Hier ist besonders eine kleine Übungsetappe bei La Malene zu nennen, die sollte man unbedingt mal fahren. Ich habs gleich zweimal gemacht, weil es so schön war. Und die Reifen müssen ja auch wieder rund werden.

Am Abend treffe ich mich mit U. am Aussichtspunkt oberhalb östlich von Millau, von wo aus man das Viadukt gut sehen kann. Ab hier geht es die nächsten zwei Wochen gemeinsam weiter. Er übernachtet auf dem Campingplatz, ich geh ins Hotel. Abendessen im Städtchen gibts aber gemeinsam.

Sonntag: Der erste gemeinsame Fahrtag steht auf dem Programm. Wir fahren zum Eingrooven auf landestypischen Kleinstrassen unterer Ordnung zum Las Clauszes, einer unter Motorradreisenden beliebten Herberge unter deutscher Leitung. Saubere Zimmer, gutes Essen, deutsches Bier (selten in der Gegend) und Benzingespäche mit anderen Gästen sind eine ganz gute Voraussetzung, um Urlaubsfeeling aufkommen zu lassen.

Montag: wir zischen Richtung Andorra/Pyrenäen los und machen kurze Stops an den Katharerburgen Queribus und Peyrepertuse. Dort kommt Bibi zum Einsatz, was einen überraschenden Ausgang nimmt. Obwohl ich 2m groß bin: ich komme nicht hoch genug und muß klettern. Glücklicherweise kann ich das besser als bei extrem starkem Seitenwind fliegen. Bibi hat den Absturz gut überstanden und darf zurück unter den Topcasedeckel zur “Gorges de Galamus”. Leider sieht sie von da drinnen nicht, wie schön und beeindruckend die Lanschaft ist. Die Berge um uns herum werden höher, das Wetter immer sonniger. Andorra wird für die kommenden zwei Nächte unser Stützpunkt sein, von dort starten wir die große Andorrarunde, die uns durch den Parc Natural Del Cadi Moixero führt. Über Frankreich Col Puymorens kommen wir wieder nach Andorra rein und befahren das einzige befahrenswerte Asphaltband in Andorra: den Col D’Ordino und die Strasse nach El Serrat.

Das alles siehst Du filmisch aufbereitet in der Reisedokumentation „Mille Virages 2015 I“

Da ich wie üblich in Andorra zum günstigen Preis einkaufen war und für meine Freunde 30 Rolexuhren gekauft habe, muss ich irgendwie an den Zöllnern vorbei, ohne kontrolliert zu werden. Ich entscheide mich daher dafür, über die grüne Grenze „rüber zu machen“ und verlasse das wenig sehenswerte Andorra über den Coll De La Botella nach Tor. Schöne Strecke, muss man schon sagen. An den staunenden Wandertouristen vorbei auf den holprigen Schotterstreckenabschnitt. Mit der Black Pearl ganz gut zu machen, man muss nur beachten, daß man auf den Kuhfladen nicht ausrutscht und dann unter einen der entgegenkommenden Geländewagen der Einheimischen gerät. Eine Unterbodenwäsche gibt es auf der Strecke gratis bei der Durchfahrt des kleinen Baches, der klares Wasser führt und etwa 30cm tief ist. U. hat keine Berührunsängste mit dem Zoll vorzuschützen und fährt auf bestem Asphalt nach Süden über Cerc und Sort. Wir treffen uns in Llavorsi und fahren von dort wieder gemeinsam. Es stehen die klassischen Pilgerorte der Radsportjünger auf dem Programm: Während U. und ich die Bergwertung am „Col du Portillon“, „Col du Soulor“, „Tourmalet“ und “Col D’Aubisque” gewinnen, quälen sich viele unmotorisierte Zweiradler mit hängender Zunge den Berg hinauf, um sich nach dieser Selbstkasteiung in halsbrecherischer Fahrt den Berg auf der anderen Seite wieder herunterzustürzen. Ihr habt meinen ganzen Respekt für diese Hingabe an den Radsport, liebe Radler in den bunten Werbeshirts! Doch seid versichert, mein Antragsformular auf Aufnahme in Euren Verein habe ich verlegt….

Wir machen auch einen Abstecher zum Cirque De Gavarnie. Der Ort ist wegen der Touristenmengen am Ortseingang gesperrt, Mopeds können direkt an der Absperrung geparkt werden, aber da stehen schon mindestens 20, davon 18 BMW GS. Ich habe Angst, dass ich meine später nicht wiederfinde und fahre weiter rechts hoch ins Skigebiet, von wo aus man eine fantastische Aussicht auf die Bergkulisse einschliesslich dem benannten Cirque hat. Nach 15 minütiger schweißtreibender Wanderung finde ich den optimalen Fotospot, verliere aber den Spaß am Bergwandern in Motorradkleidung.

Der nächste Tag soll uns nach San Sebastian führen. Wir fahren zeitig los, knapp 250 km sind zu absolvieren und schließlich ist für mich schon Halbzeit! Aber ich will unbedingt die Füße in den Atlantik strecken, also nichts wie los!

Heute schaffen wir es bis San Sebastian. Bei so einem Motorradurlaub sollte man nach meiner Erfahrung normalerweise grundsätzlich alle Innenstädte meiden – das gilt im Grunde auch für diese Baskenmetropole am Atlantik. Man kann aber einen Kompromiss finden: Zwar Innenstadtnah, aber nicht zu zentral absteigen, dann mit dem Bus in die Stadt. Genau so mache ich es: ich übernachte im niedlichen und netten Hotel Donosti (hat nur einen Stern, was mich wundert, denn ich bin schon in deutlich schlechteren 3 und 4 Sternehäusern abgestiegen). Mit dem Bus sind es 6 Stationen bis ins Herz von San Sebastian. Imposante Jugendstilbauten prägen die Prachtstrasse am Strand, wo ich zum meinem Fußbad komme. Ich gehe weiter und fahre schließlich mit der historischen Standseilbahn auf den Monte Igueldo. Von dort hat man ein wundervolles Panorama von San Sebastian, zuerst beleuchtet vom Sonnenuntergang, dann vom Vollmond. Wer möchte, kann dort sogar Achterbahn fahren. Ich bestelle mir ein Franziskaner Hefe, das ich in 4 Minuten absorBIERe. Später noch eine kleine Tapasbarbesichtigung…ein eigentlich gelungener Abend, aber U. hat leider den Campingplatz vorgezogen, der sich als weder gut noch günstig entpuppt. So habe ich ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil sich San Sebastian mir von der besten Seite zeigt und er es nur blöd findet.

Der nächste Morgen ist der Wendepunkt der Reise: die erste Woche ist rum, nun geht es wieder ostwärts.

Durch schöne Landschaft auf kleinen Straßen kommen wir immer höher und über die höchsten Passstrassen an einen merkwürdigen Fleck: Der Bahnhof von Canfranc (Estación Internacional de Canfranc) ist ein ehemaliger Grenzbahnhof zwischen Spanien und Frankreich im gleichnamigen Ort. Nach der Stilllegung der Bahnstrecke in Frankreich dient er als Regionalbahnhof und wirkt seit diesem Funktionswechsel – naja: sagen wir mal: stark überdimensioniert. Zu seiner Eröffnung war er mit einer Länge von 241m der größte Bahnhof in Spanien und der zweitgrößte in Europa. Noch 1928 wurde die Strecke feierlich eröffnet. Es hatte zehn Jahre gedauert, den acht Kilometer langen Eisenbahntunnel unter der spanisch-französischen Grenze am Somport fertigzustellen. Nachdem man aber zwischenzeitlich festgestellt hatte, dass es inzwischen Autos gibt, wurde aber auf der französischen Seite der Bahnbetrieb eingestellt. Nun gibt es einen wunderschönen Jugendstil – Geisterbahnhof, Geisterwaggons und diesen Geistertunnel ohne Schienen, der nach 50m vergittert ist. Mit jeglichem Zweirad fährt man am Besten sowieso den Pass ganz oben drüber. So haben wir es gemacht. Alternativ gibt es einen Tunnel, der Autos etc vorbehalten ist.

Wir übernachten in Biescas und entscheiden uns zur Abwechslung, mal zwei Nächte an einem Ort zu bleiben. So bleibt uns mal ein Tag mit wenig Kilometern und der Besichtigung des Col De Pourtalet sowie der Banos Panticosa (eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie die von diesem toten Bahnhof…).

Am Abend bestelle ich in der örtlichen Pizzeria eine Pizza Calzone. Wie sie geschmeckt hat? Vielleicht erinnert sich er eine oder andere, dass unsere Mütter früher gerne mal aus Salzteig Broschen, Türschilder oder sowas gebastelt haben. Aus genau diesem Material war auch der Pizzateig. Vielleicht könnten die sich auch mal überlegen, Obst aus Fimo zu basteln…… Ganz allgemein möchte ich hier einfügen, dass diese Reise keine ausgesprochene kulinarische Lustreise war…. das Menu Del Dia besteht meistens aus frittiertem Fett mit Knoblauch und Öl, alternativ ein 500g Entrecote mit Pommes. Ein frischer Salat wirkt bei der Kost oft Wunder! Die Mittagspause auf Strecke kann man aber immer mit Baguette und Chorizowurst bestreiten – das hatten wir eigentlich so gut wie jeden Tag und wir überlegen, ob wir des Geschmacks nicht bald überdrüssig werden…

Weiter gehts über Torla (sehenswert!), durch das Valle Del Vio und den Canyon von Anisclo (sehr sehenswert!). Auf dem weiteren Weg nach Osten bestaunen wir ein Hotel am Ende der Welt (Hospital De Benasque) – wer wohl auf die Idee kommt, ausgerechnet dort Urlaub zu machen? Da muss man schon die Einsamkeit suchen oder Kuhliebhaber sein. Auf dem Weg Richtung Figueres befahren wir noch den Coll De Faidella, die Collada Del Toses und andere Colls deren Namen ich mir einfach nicht merken kann. In Figueres schließlich neigt sich unser Urlaub so langsam dem Ende zu. Wir steigen nahe dem Teatro Museo Dali ab und fühlen uns sehr surreal, als wir das Museum besuchen. Gut, dass wir die Tickets vorgebucht haben, denn so sparen wir uns 2 Stunden Wartezeit. Allgemein ist das Museum sehr voll: Einerseits mit Menschen, die grundsätzlich ungeschickt vor den Exponaten positioniert herumstehen und eine genußvolle Betrachtung der Kunst verhindern. Auch akustisch kein Entkommen: Lautstark erklärt der russische Fremdenführer mit der goldenen Kauleiste dem Oligarchen und seinem Anhang die Hintergründe der Surrealismus. Voll ist das Museum auch in anderer Hinsicht: Es sind sooo viele Exponate, man kommt schnell an den Rand der Übersättigung.

Der letzte Tag der gemeinsamen Reise ist gekommen: U. und ich fahren nach Roses und wir verabschieden uns dort herzlich. War eine schöne Reise und gerne würden wir wieder mal gemeinsam los. Ich will noch den ungeteerten Weg von Roses nach Cadaquez fahren, U. bevorzugt die geteerte Alternative. Danach habe ich noch drei Tag Zeit, es wieder bis nach Stuttgart zu schaffen. Leider missglückt mein Versuch, die geschotterte Abkürzung durch’s Cap De Creus zu nehmen: Eine nicht zu überwindende Stahlträgerbarriere verhindert ein Durchkommen. Ich muss umkehren und auch die Asphaltstrecke nehmen. Auf der Küstenstrasse geht es Richtung Norden und das Abschiedsphoto gibt es oben am Tour De Madeloc. Da ist der schmale Weg bis nach oben zunehmend dem Verfall ausgesetzt und wer sein Moped nicht einigermaßen beherrscht sollte dem „Einfahrt verboten“ Schild unbedingt Folge leisten. Enge Kehren mit 30cm tiefen Schlaglöchern erfordern höchste Aufmerksamkeit. Die Mühe wird aber belohnt mit einem Blick, der scheinbar bis nach Hause reicht.

Der zweite Teil der Reisedokumentation „Mille Virages 2015 II“ ist hier:

Der Endspurt ist nicht mehr besonders sehenswert und kommt daher im Video nicht vor: Ich fahre noch an diesem Abend bis nach Millau durch, und der nächste Tag bringt mich schnurstracks bis nach Stuttgart. Topfit erreiche ich kurz vor Mitternacht Stuttgart und freue mich schon auf das Mittagessen des kommenden Tages: Ich glaube, ich werde mir ein Baguette mit Chorizowurst machen…..

Die Strecke, wie sie im Groben geplant war, findet sich hier: https://www.google.com/maps/d/viewer?mi … haring_eid Wir sind außerdem noch ein bischen rechts und links neben der geplanten Route unterwegs gewesen. Das ist mehr als ausreichend Fahrspaß für ganze zwei Wochen.

Veröffentlicht von golem1303

Born to Ride - Forced to Work

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