Ostsperre.
Ostsperre?
Was meint der mit Ostsperre?
Ich hatte lange Zeit eine Ostsperre. Nicht, dass für mich der Osten gesperrt war. Aber ich hatte irgendwie eine Sperre, in den Osten zu fahren. Es muss mit Vorurteilen und Kindheitserlebnissen beim Reisen durch die DDR zu tun haben. Damit gilt es aufzuräumen, immerhin bin ich über 40 und viele Teile der Welt hab ich ja auch schon besucht…also auf mit dem Moped in den Osten!
B., mit dem ich vorletztes Jahr auf fast allen Alpenpässen unterwegs war, hat da weniger Berührungsängste. Er schwärmte mir von der Hohen Tatra vor, von der Natur usw. Na gut, dachte ich, dann lass uns mal in den Wilden Osten fahren. So wild ist der ja wohl gar nicht mehr, gehört immerhin zwischenzeitlich alles zur Europäischen Union: Tschechien, Ungarn, Rumänien, Serbien und Bosnien/Herzegowina (naja, die nicht so richtig), Kroatien, Slovenien…
Letzten Winter dann also die Strecke ausgearbeitet, Tips eingeholt, und meinen Freunden von den Plänen erzählt. Dabei stellte sich raus, dass die alle noch ängstlicher sind als ich und eine Reise in Richtung Osten für ein ziemliches Abenteuer halten. Dass ich mal bloß MIT dem Motorrad wiederkommen soll…. Ach Quatsch. Es werden wohl mehr Mopeds in England oder Holland und aus deutschen Tiefgaragen geklaut als aus rumänischen Hotelhöfen…
Anfang Augst dann: Es geht los. Das Moped mit den neuen Reifen ist aufgerödelt, ich habe aktuell kein Rückenproblem, und 1.5 Tage Zeit, B. nördlich von Wien zu treffen. Da er am Samstag noch arbeiten muss hat er es vorgezogen, über Nacht von Samstag auf Sonntag mit dem Autozug nach Wien zu fahren. Ich bin schon Freitag nachmittag unterwegs und schaffe es schon an der Donau entlang bis Passau. Die Donau – sie wird auf dieser Reise immer wieder ins Blickfeld kommen….
Vorbei an den Schlögener Schlinge (hier kommt Bibi grandios zum Einsatz) durch das schöne Mühl- und Weinviertel und die Tschechei (Thaya, Hardegg…) komme ich pünktlich an den Treffpunkt, den McD in Mistelbach. Praktischer Treffpunkt mit Kaltgetränken und Klimaanlage, passend zum Warten bei 30 Grad.
Wir fahren Richtung Osten, klar, über Trencin nach Zamok Bojnice in der Slowakei. Die EU Steuerzahler haben sich viel Mühe gegeben und einige Strassen sind ziemlich gut asphaltiert. Andere standen offenbar nicht im Förderantrag, das müssen sie nochmal ran, die Strassenbauer und -Flickschuster.
Durch die Niedere Tatra geht es Richtung Hohe Tatra. Kurzbesuch im Museumsdorf Vlkoninec fällt wegen Regen leider aus.
Weiter geht es auf der Tatra Panoramastrasse Richtung (genau: Osten). Wegen Regen ist allerdings ziemlich wenig Panorama. Schade. Auf dem Weg zum Kastiel Betliar sehen wir am Strassenrand immer wieder Zigeuner, die uns und anderen Vorbeikommenden riesige Pilze oder selbstgepflückte Beeren aus dem Wald in Eimern zum Kauf entgegenhalten. Was soll wohl mal aus dem schätzungsweise 8jährigen Jungen werden, der mit seiner 10jährigen Schwester hier steht? Hat der Ferien? Geht der zur Schule? Wo sind die Eltern? Und was machen die eigentlich den ganzen Tag?
Die Penzion Banska Klopacka in Hnilcik ist dafür ein echtes Kleinod. Sehr schönes Zimmer für 17 Euro, da kann man nicht meckern. Und leckere Hausmannskost und wasserbetriebene Hammermännchen gibt´s obendrein!
Sieh Dir das Video der ersten Etappe an:
Immer weiter ostwärts tragen uns die Zweiräder, durch den Ort Kosice (Mein Garmin spricht immer von Kaschau, ich habe keine Ahnung, wie ich dem Ding die Verwendung der landesspezifischen Namen angewöhnen kann). Die Gegend war mal hart umkämpft, es gibt am Dargov Pass eine Gedenkstätte mit zwei alten russischen Panzern, die heute aber eher als Touristenattraktion und Klettergerät für kleine und große Kinder herhalten. Durch das platte und motorradfahrtechnisch todlangweilige Ungarn geht es Richtung Rumänien. Hier gibt es nichts als Felder, langgezogene Straßendörfer und sehr vielen Storchennester auf den unzähligen Stromleitungsmasten, die der Gegend einen Hauch des 20. Jahrhunderts verleihen. Das ist mir überhaupt aufgefallen am Osten: Wann auch immer man ein schönes Foto machen will, es hängt eine nachlässig verlegte Stromleitung im Wege….
Wir erreichen Rumänien (Salutare!) und steigen im Hotel Dallas in Bixad ab. Der 4**** Bunker ist neu – und leer. Es ist ausser uns nur ein weiterer Gast da (im Porsche aus Neu-Ulm), den wir aber nicht zu Gesicht bekommen. Das Zimmer ist riesig und komfortabel und am Morgen ist ein komplettes Frühstückbuffet aufgefahren. Und es ist im großen Speisesaal, der auch mit Granitboden ausgelegt ist, nur an zwei Plätzen eingedeckt. Es gibt aber alles was zu einem solchen Hotel gehört: Rührei, Würstchen, Bacon, Müsli, verschiedene Kaffees und Tees, Säfte, Marmeladen, Brötchen usw. A strange place, indeed!
Another strange place: Der lustige Friedhof in Sapanta. Vom Touristenrummel mal abgesehen (das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt) eine interessante Idee, auf den Gräbern an die Berufe der Verstorbenen zu erinnern. Als der Bus mit den Chinesen kommt, nehmen wir Reisaus und schauen uns noch das benachbarte Kloster an. An weiteren Kirchen und Klöstern geht es weiter über den Prislop Pass Richtung Kloster Humorului, seines Zeichens Unseco Weltkulturerbe und definitiv einen Besuch wert. Am Wegesrand immer wieder schöne Einfahrten und Portale.
Nun geht es vornehmlich Richtung Süden weiter. Entlang dem Stausee Lacul Bicaz geht es Richtung Bicaz Schlucht. Das ist eine der Hauptattraktionen. Ich vermute aber, nicht wegen der Landschaft, sondern wegen der vielen Verkaufbuden, an denen man Blusen, selbsgestrickte Westen und warme Puschen und allen möglichen anderen Krimskrams kaufen kann. Leider bin ich zu doof, meine Helmkamera ordnungsgemäß zu bedienen und obwohl ich zwei Mal durch die Schlucht fahre, kann ich später keinen Film auf der Kamera finden. Wenn ihr also wissen wollt, wie es dort ist: Fahrt ruhig selbst mal hin!
Auf dem weiteren Weg Richtung Süden geht es noch durch Baile Tusnad und wir nehmen ein Fußbad im Lacul Sfanta Ana, dem einzigen verbliebenen, erhaltenen Kratersee in Osteuropa. Das Wasser riecht gut. Irgendwie nach…..mmmmm….. Ist das etwa Sonnenmilch?
Hier das Video der zweiten Etappe:
Noch etwas südlich, bei Kronstadt aka Brasov geht es nun schon wieder westwärts. Das Dracula Schloss (Bran) ist der am Meisten touristisch überlaufene Ort auf der Reise. Busladungen kollidieren mit Individualverkehr, Fußgänger kommen aus jedem Winkel. Machen wir wenigstens ein Foto. Das geht leider, wie schon befürchtet, nicht ohne störende Stromkabel, ist aber trotzdem ganz gut geworden.
Weiter geht es Richtung der „spektakulärsten Strasse der Welt“ (laut Top Gear). Oben gibt es wieder einen Rummel, und der Asphalt könnte aber trotzdem besser sein. aber affengeile Aussichten und tatsächlich eine sehr schöne Straße. Und Esel. Ich mag Esel.
In Sibiu aka Hermannstadt findet ein Musikfestival mit Folklore aus den Bergen, Beachvolleyballturnier und allem möglichen anderen statt. Hier fühlt es sich ger nicht wie in Rumänien an. Ist irgendwie eher wie eine italienische Stadt, wenn dort traditionsbewußte Deutsche leben würden. Aber auch der Vergleich hinkt sicherlich…..
Am nächsten Tag nehmen wir den anderen bedeutsamen rumänischen Pass unter die Räder: Die Transalpina. Oben gibt es landestypisches Fastfood und überall campieren Leute, oder fahren mit Geländefahrzeugen auf dem Berg herum…… Die Rumänen pflegen einen unbeschwerten Umgang mit ihrer Natur, soviel bleibt festzuhalten. Traditionen werden auf moderen Art gefeiert: Zur Hochzeit werden ganze Fuhrparks für das Brautpaar ausgepackt. Stretch-Limo, BMW X5, Kutsche, Hubschrauber…..alles dabei!
In Hunedoara entdecken wir zunächst die modernen Behausungen der seßhaften Zigeuner. Die haben sich jeweils ein eigenes Sternenzelt aufs Dach gebaut. Über Hunedoara thront eine alte Burg, Castelul Corvinilor. Das Tal vorbei am Lacul Cincis, Lunca Cernii, erweist sich als schön. Eine perfekt ausgebaute Strasse führt westwärts und endet im Nichts. 7km Strasse sind nicht fertig. Also wieder zurück, 50 km Umweg. Zu allem Überfluß schmiert Bibi ab, und dann fängt es auch noch an zu regnen. Morgen wird ein besserer Tag! Und jetzt hab ich mehr Platz im Topcase.
In Baile Herculane stehen noch die alten Jugendstilbauten der urspünglichen Bäderzeit. Im Sozialismus hat man kurzerhand einige fiese Neubauhotels daneben gesetzt. Wir entscheiden uns, nur die wirklich schönen, alten Gebäude zu fotografieren. Ich kann mir ausmalen, dass mit hohem finanziellen Aufwand hier ein echtes Schmuckstück entstehen kann. Die vielen rumänischen Touristen, die im „neuen“ Teil der Ortschaft in den Restaurants mit lauter folkloristischer Livemusik Cevapcici verdrücken, scheint das alles aber nicht so richtig zu interessieren.
Weiter geht es an der Donau Richtung Westen. Durch das Eiserne Tor, eine gigantomanisches Kraftwerk, das die Donau auf viele Kilometer aufgestaut hat, ist eine Landschaft entstanden, die etwas an norwegische Fjorde erinnert (nur niedriger). Auf der anderen Seite ist Serbien. Da fahren wir durch. Das geht auch ziemlich schnell, die Strassen sind grade und die Landschaft ist platt, mit endlos großen Feldern. Wieder über die Donau, und wir erreichen Vukovar in Kroatien. Der Ort ist mir noch deutlich aus den Nachrichten bekannt als einer der großen Kriegsschauplätze.
Durch Bosnien / Herzegowina über Banja Luka geht es weiter, wieder nach Kroatien, wo wir uns in einem Thermalbad erholen wollen. Top Terme Topusko. Klingt eigentlich nicht schlecht. Entpuppt sich aber als Platz, an dem die Zeit stehengeblieben ist. Abendessen nach Art „Sozialisitische Jugendherberge“. Frühstück besteht nur aus grauen Sachen und kaltem Kaffee. Immerhin ist das Badewasser warm…..
Ein Blick aufs Regenradar bewegt uns dazu, Richtung Zagreb zu fahren. Hier gibt es nun wirklich die beste Strasse auf der ganzen Reise, im Sjeme Park. Leider fängt es wie angekündigt zu regnen an, so dass wir unter dem Regengebiet durch in einem Rutsch durch Slowenien bis zum Klopeiner See in Kärnten fahren. Dort ist wieder Sonne angesagt. Der nächste Tag beschert uns Kaiserwetter und wir wollen mal den Mangart befahren. Gesagt – getan. Dort oben erwarten uns wunderbare Aussichten.
Der restliche Rückweg sollte dann eigentlich durch Südtirol übers Timmelsjoch und Hahntennjoch Richtung A7 gehen. Die Pässe fallen dann aber leider wegen Regen auch aus. Wir nehmen den kurzen Weg über den Brenner nach Hause. Der innere Magnet zieht mich nach Hause, wo ich überraschend schon Freitag Abend eintreffe. Schatzi freut sich. Sie will auch mal wieder los, hat ja die letzten zwei Wochen arbeiten dürfen, während ich mit einem andern Bekloppten für knapp 2 Wochen 55ookm durch Osteuropa gefahren bin. OK, sage ich, lass uns morgen in die Vogesen fahren! Aber das ist eine andere Geschichte…..
Wir waren entlang dieser Strecke unterwegs:
https://www.google.com/maps/d/edit?mid= … sp=sharing
https://www.google.com/maps/d/edit?mid= … sp=sharing
Ist im Großen und Ganzen auch richtig, aber der letzte Teil der tatsächlichen Strecke weicht von der ursprünglich geplanten Route ab.