Helm ab zum Gebet – Heiliges Wasser in Lourdes und Anderswo in Frankreich

Menschen beten aus den verschiedensten Gründen und man kann davon halten, was man will. Im Jahr des Herrn 2019 war ich in Lourdes im Rahmen der Finis Terrae Tour und habe in der Hoffnung auf Erlösung von Darmproblemen, wie sie bei älteren Herren wie mir bisweilen auftreten, viel vom lokalen heiligen Wasser getrunken. Und was soll ich sagen: Bis heute hat es geholfen! Ich weiss natürlich nicht, ob hier eine Kausalität oder nur eine Korrelation vorliegt. Dennoch ist es allemal ein Grund, dankbar zu sein und dieses durch eine Pilgerfahrt zu bekunden. Denn in jedem Falle muss kein Grund, sondern lediglich ein Anlass her, um die erste längere Tour dieses Jahres zu rechtfertigen.

Außerdem ging es mir in der jüngeren Vergangenheit (wenn auch aus anderen Gründen) nicht so gut. Doch in der Garage wartet meine schwarze Medizin, die mich auf verschlungenen Wegen nach Lourdes und zurück bringen wird.

Samstag, 23.3.2024
Es geht los. Helm auf. Handschuhe an. Losfahren. Erstmal ab auf die Autobahn, Kurs Süd-West. Wasserscheu darf ich heute nicht sein, es war Regen angekündigt und der wird auch geliefert. Bei Freiburg gesellen sich zum 5 Grad kalten Regen noch stürmische Böen hinzu, die mich fast vom Moped wehen. Doch als ich den Rhein überquere und Frankreich erreiche, kommt die Sonne heraus. Ich wärme mich noch beim Schachtelwirt etwas auf, um dann zügig auf recht graden Straßen Chalon-sur-Saône und dann Vichy anzusteuern. Von den leicht irritierenden Angaben auf dem Navigationsgerät lasse ich mich nicht verwirren und erreiche mein Hotel in Vichy zwar etwas durchkühlt, aber in guter Stimmung.

Ob das so stimmt???

Sonntag 24.3.2024
Als ich zu meinem am Abend perfekt geparkten Moped laufe, muss ich mich durch Flatterband kämpfen: Wie sich herausstellt ist hier heute Marathonlauf. Die ganze Stadt ist gesperrt, daher kann ich meine städtische Besichtigungsfahrt heute vergessen. Also mache ich mich auf den Weg in Richtung Puy-De-Dôme. Kurz vor Volvic laufe ich auf einen anderen Motorradfahrer mit bayerischem Kennzeichen auf, der offenbar das Gleiche macht wie ich.

Vor allem in Deutschland gehört Volvic zu den bekanntesten Wassermarken. Was viele Menschen nicht wissen ist, dass die Marke Volvic zu Danone gehört und ihren Namen von der gleichnamigen Stadt in Frankreich hat. Danone füllt hier in einer riesigen Fabrik jedes Jahr 2,7 Milliarden Liter Wasser, bis zu 7 Millionen Flaschen pro Tag, ab. Klingt nach viel. Aber zum Vergleich: mit 500Litern pro Sekunde, also 44 Millionen Liter täglich, oder 16 Milliarden jährlich besitzt Stuttgart das zweitgrößte Mineralwasservorkommen in Europa. Das wird allerdings nicht einfach entnommen und in Plastikflaschen verpackt in die Welt exportiert.

Dies ist nicht die Quelle in Vittel

Ich möchte gerne meinen Trinkrucksack befüllen und fahre rechts ran, um zu schauen, wo die berühmte Quelle ist. Der andere Motorradfahrer folgt, wir kommen ins Gespräch: S. ist auf dem Weg nach Spanien. Lourdes liegt auf dem Weg dahin, also beschließen wir ein Stück gemeinsam zu fahren. So machen wir es und finden erst die Quelle, danach Schnee, dann die Zahnradbahn hoch zum Puy-De-Dôme, sensationelle Straßen und letztlich steigen wir im gleichen Hotel in Aurillac ab. Leider sind alle Restaurants im Ort Sonntags Abends geschlossen. Der Supermarkt ist glücklicherweise noch geöffnet. Dieser wird von den Einheimischen genutzt, um dümmlich aggressiv an der Kasse rumzublöken. Da fühlt man sich fast wie zu Hause.

Gefrorene Wolken am Puy-De-Dôme

Montag 25.3.2024
Pünktlich um 9:00 Uhr starten wir die Motoren. Der Weg führt erst zum Bäcker, doch der hat wie alle andern auch geschlossen. Naja, dann muss das Frühstück eben noch warten.

In Saint-Étienne-Cantalès schauen S. und ich auf den See, die Wettervorhersage und die Karte. Morgen ist den ganzen Tag mit Regen zu rechnen. Hier trennen sich unsere Wege. Mein Ziel Lourdes steht fest. S. peilt Barcelona als Richtung an. Gute Fahrt, hat Spass gemacht!

Mein nächster Stopp ist Rocamadour. Der nicht nach dem bekannten Ziegenkäse benannte, auf drei Ebenen vertikal angeordnete Ort gehört zu den Großen Sehenswürdigkeiten Frankreichs (Grands Sites de France) und wurde im Juni 2022 von der Vereinigung Les plus beaux villages de France in die Liste der schönsten Dörfer Frankreichs aufgenommen – vermutlich zu Recht.

Entlang des Lot fahre ich Richtung Cahors. Neben der Pont Valentré mache ich Mittagspause. Die Sonne traut sich auch wieder raus und wirft einige wärmende Strahlen nach mir. Es wäre schön, wenn das so bliebe! Doch leider werde ich stattdessen vom Himmel mit Wasser beworfen.

An der Quelle

Das Wasser von Lourdes ist zu einem Schwerpunkt der Verehrung der Jungfrau Maria in Lourdes geworden. Seit den angeblichen Erscheinungen haben viele Menschen behauptet, durch Trinken oder Baden darin geheilt worden zu sein, und die Behörden von Lourdes stellen es jedem, der darum bittet, kostenlos zur Verfügung. Also: Helm ab zum Gebet und das gute Wasser in den Trinkrucksack abfüllen. Prost!

Dienstag 26.3.2024
Wegen des Wetters frühstücke ich im Hotel. Dort ist es erst ruhig, doch dann betritt eine italienische Pilgergruppe den Frühstücksraum. Sie wollen offenbar unter Beweis stellen, dass die italienische Sprache aus sehr, sehr vielen Worten besteht, die sehr laut ausgerufen werden müssen.

Durch Herumsitzen im Hotel wird das Wetter auch nicht besser. Also aufsitzen. In der Hotelgarage ist es warm und trocken. So kann ich gut wasserdicht eingemummelt losfahren. Erst ist es normaler Regen. Auch ohne den offiziellen Wetterbericht stelle ich fest, dass die Schneefallgrenze etwa bei 550m liegt. Merke: Schnee auf dem Helmvisier schränkt die Sicht ein. Doch ich halte durch, habe ich doch heiliges Wasser dabei. In flacheren Gefilden hört der Regen auf, das Thermometer zeigt warme 9 Grad an. Dennoch checke ich früh in ein Zimmer ein, das sich wie ein sehr gemütliches Zugabteil mit Innenrollo anfühlt. Aufwärmen. Füße hoch legen. Pause machen.

Mittwoch 27.3.2024
Heute ist das Wetter schöner, das habe ich mir fest vorgenommen. Von der Sonne früh geweckt fahre ich erstmal zum Frühstücken. Ein kleines Picknick kommt in den Koffer, das gibt’s nachher mit Aussicht.

Frisch beschneite Pyrenäen

So habe ich es mir vorgestellt: Strahlend blauer Himmel, sonniges Licht, angenehme Temperaturen, spannende Straßen in den schwarzen Bergen und wunderschöne Panoramen.

Ich beschließe, dem Meer zwischen Adge und Sète noch einen Besuch abzustatten. Ein kurzes Nickerchen am Strand, dann geht es mit Sand am Schuh weiter. Am Panoramique du Mont Saint-Clair kann ich bis nach La Grande Motte sehen, so scheint es mir.

Panoramique du Mont Saint-Clair

Donnerstag 28.3.2024
Heute geht es Richtung Norden. Ein sonniger Fahrtag, der mich zu den schönsten Aussichten mit Sandwich am uralten Cirque De Navacelles, der ikonischen Brücke von Millau, den schwierig zu fahrenden Kurven von La Malène und fantastischen Ausblicken in die Tarnschlucht führt.

Cirque De Navacelles

Morgen ist Karfreitag, also noch schnell in den Supermarkt und etwas Wegzehrung für die nächste Etappe einkaufen.

2 Ikonen der Verkehrsgeschichte

Freitag 29.3.2024
Um auf der Sonnenseite zu bleiben, geht es nach Nordosten weiter, denn in den Cevennen regnet es. Ich überquere die Ardeche, heute lasse ich die wunderschöne Strecke entlang des Flusses aus. Stattdessen erkunde ich ein anderes Tal, das der Ibie mit der Cascade de l’Ibie. Dann überquere ich die Rhone bei Montélimar und steuere erst den Col de la Chaudière, dann den Col de Rousset an, anschließend statte ich dem Combe Laval noch einen Besuch ab. Der Aufkleber auf dem Schild muss erneuert werden.

Combe Laval

Die grüne Ortsangabe ist zwischenzeitlich immer mehr beklebt worden, wenn das so weitergeht, kann man es bald gar nicht mehr lesen. Immerhin: mein Sticker vom letzten Jahr ist noch da, wenn auch ziemlich verblichen, aber niemand anders hat ihn überklebt, sehr fair.

Es ist warm, bis zu 25 Grad zeigt das Thermometer an. Doch in der Luft hängt ein dunstiger Schleier, der die Sicht auf die noch verschneiten Berggipfel vernebelt. Saharastaub, so heißt es. In Grenoble gönne ich mir noch einen Taco, das ist so eine Art französische Version des Döners mit eingebauten Pommes ohne Salat. Meine mitten in der Chartreuse gelegene Unterkunft erreiche ich nach kurzer Suche um 18:37, doch es gibt keine Rezeption, die Zugangsdaten zum Zimmer sind per SMS gekommen. Also brauche ich ein paar Minuten länger, bis ich aus den Stiefeln steigen und die Füße hochlegen kann.

Samstag 30.3.2024
Helm Auf! Ich starte um 8:30. Mal sehen, wie weit ich heute komme, das hängt auch vom Wetter ab. Wasser hatte ich ausreichend in den letzten Tagen. Durch die Chartreuse geht es nordwärts, heute links vorbei am Lac Du Bourget. Oben entdecke ich einen perfekten Platz für eine Kaffeepause mit Aussicht auf den saharastaubvernebelten See. Mein Kaffee ist allerdings grade erst einige Minuten her, daher fahre ich weiter. Da muss ich wohl noch mal wiederkommen.

Le Belvédère d’Ontex

Der Grand Colombier befindet sich noch im Winterschlaf. Ich fahre daher links vorbei Richtung Haut Jura. Bei Mijoux ist es schon wieder kalt, 6 Grad zeigt das Cockpit an. Also fahre ich zügig Richtung Baume-les-Dames und weiter nach Lures. Bei einer kleinen Stärkung prüfe ich, ob es vielleicht heute doch noch bis nach Hause klappen könnte. Am Col De La Schlucht oder spätestens in Colmar werde ich es entscheiden. Fröhlich singend fahre ich durch die Vogesen, alte Schlager sind inn der Playlist. Ich will mir gar nicht vorstellen, was die Leute denken, als ich singend vorbeikomme. Als ich in Colmar schließlich an der Tankstelle stehe, ist es 17:15. Damit ist klar, heute Nacht schlafe ich im eigenen Bett und trinke Wasser aus dem eigenen Wasserhahn. Nun noch ein kurzer Endspurt auf der Autobahn, dann bin ich zuhause.

Um 19:30 heißt es nach 8 Tagen und 3310 km wieder: Helm Ab!

Und hier war ich:

Veröffentlicht von MoTranshumance

Born to Ride - Forced to Work

3 Kommentare zu „Helm ab zum Gebet – Heiliges Wasser in Lourdes und Anderswo in Frankreich

  1. Sehr schön, danke für’s mitnehmen! Da es hier gerade auch regnet bin ich umso mehr froh, Deine „Wasserschlacht“ im Trockenen nacherleben zu können.

    Gabelbruch und Plattfuß wünscht

    Achim

    Like

Hinterlasse einen Kommentar