In den Vogesen gewesen zum Wesen genesen

Es ist Montag, 4:59. Der Handywecker weckt mich mit Motorengeräusch. Aufstehen, waschen, anziehen, zur Garage laufen…das alles mache ich noch im Automatikmodus. Ab hier muss ich selbst schalten, denn mein fliegender Teppich hat kein Automatikgetriebe. Um 05:46 rolle ich durch die leeren Straßen. Die Ampel steht auf rot, obwohl kein anderes Auto in der Nähe ist. Als ich die Stadt Richtung Westen verlasse wache ich langsam auf. Es ist noch ziemlich frisch, nur 12 Grad, also muss ich noch kurz anhalten und einen Pullover anziehen, bevor ich auf der Autobahn über Karlsruhe nach Weissenburg / Wissembourg fahre. Ein Schild warnt vor Kurven. Doch es werden nur Motorradfahrer gewarnt – Heißt das, dass Autos auf der D3 einfach querfeldein geradeaus fahren können?

Viele Ortschaften hier haben deutsch klingende Namen: Dambach, Baerenthal, Windstein, Lichtenberg….doch in jedem Örtchen gibt es eine Boulangerie und eine Mairie. Das mag ich so an dieser Gegend: Es ist nicht weit weg von Zuhause, doch es fühlt sich so an, als wäre man weit weg im Urlaub.

Das Schiffshebewerk in Arzviller und den Schiffstunnel lasse ich heute rechts liegen. Ich will heute mehr fahren und weniger besichtigen. Ich komme an der Burgenstrasse an den wunderbarsten Schlössern und derer Ruinen vorbei. Château du Grand-Geroldseck, Château de Greifenstein, Château du Haut-Barr, Château D’Ochsenstein, Château de Wangenbourg, Château du Freudeneck, Château du Nideck, hier haben sich auf wenigen Kilometern viele Herrscher ihre Burg gebaut. Heute stehen hier noch mehr oder weniger große Reste der Mauern auf den Hügeln.

Über schmale, verschlungene „Routes Forestières“ geht es südwärts. Es geht den Berg rauf, runter, rechts, links… Ein kleines Stück Route de Crêtes ist auch dabei. Das Elsass war schon oft Schauplatz kriegerischer Handlungen. Hier sind viele Soldaten gestorben. Immer wieder kommt man an Soldatenfriedhöfen und Mahnmalen vorbei. Ich bin froh, dass wir heute in einem vereinten Europa leben, in dem man einfach ohne große Probleme in ein benachbartes Land mit freundlichen Menschen fahren kann. In dieser Gegend ist das auch sprachlich kein Problem, ein paar Brocken französisch, englisch oder deutsch helfen immer weiter.

Am Roche du Page oberhalb von Gerardmer mache ich Mittagspause. Ich habe mir unterwegs eine Pastete mitgenommen, die ich hier in aller Ruhe genieße. Nach einem guten Essen und einem kurzen Mittagsschläfchen geht es weiter.

Roche Du Page

Auf der anderen Seite des Lac De Gerardmer steht auf einem Hügel der Tour de Mérelle. Von hier hat man eine wunderschöne Aussicht über den größten natürlichen See der Vogesen und die umliegenden Baumwipfel. Doch heute ist hier eine lange Schlange. Wegen Corona dürfen immer maximal 4 Leute auf den Turm, und vor mir stehen noch mindestens sieben oder acht Familien, die den Ausblick genießen wollen. Mir dauert das zu lange, daher fahre ich weiter.

Ich tanke in Le Thillot und schlage mich danach wieder in den Wald. Hier kann man im Winter alpin Ski fahren. An einem schmalen, unbefestigten Abschnitt des Waldweges zwischen Col Du Collet und Col Du Page habe ich schwer zu kämpfen, es geht steil bergab, nach Denzel wäre das hier sicherlich ein Schwierigkeitsgrad 4-5. Ich meistere die Passage und muss am Col Du Page erstmal verschnaufen. Hier treffe ich zwei andere Motorradfahrer, wir unterhalten uns ein bisschen, es gibt noch ein Passphoto, und es geht weiter.

Am Markstein vorbei geht es weiter zum Grande Ballon. Die Aussicht von hier oben auf den Schwarzwald und bis zu den Alpen im Berner Oberland ist fantastisch.

Grande Ballon

Doch es ist schon reichlich spät geworden. Ich nehme den schnellen Weg in Richtung Heimat. Vorbei an Mulhouse / Mühlhausen über den Rhein Richtung Freiburg. Auf schnellen Landstraßen durchquere ich den Schwarzwald und lege bei einbrechender Dunkelheit eine letzte Autobahnetappe nach Hause ein. Als ich in Stuttgart meinen fliegenden Teppich in der Garage abstelle habe ich 900km Strecke zurückgelegt. Ich war nur 15 Stunden weg, doch es fühlt sich an, als wäre ich länger unterwegs gewesen. Trotz der Anstrengung bin ich irgendwie erholt. So ein Kurzurlaub in den Vogesen, das ist für mich Balsam für die Seele.

Ein Video habe ich auch gemacht:

Auf dieser Strecke war ich unterwegs:

Veröffentlicht von golem1303

Born to Ride - Forced to Work

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